von Professor Ahmed T Hadidi

Professor der Kinderchirurgie und plastischen Chirurgie, Universität Heidelberg/Mannheim, Deutschland und Universität Kairo, Ägypten


Was ist Hypospadie?

Hypospadie bezeichnet eine angeborene Anomalie der Harnröhre. Diese endet nicht an der Spitze der Eichel sondern abhängig von der Schwere des Grades an der Unterseite des Penis.
In sehr seltenen Fällen kann der Harnröhrenausgang auch an der Oberseite des Penis enden (medizinische Bezeichnung: Epispadie).

Klassifizierungen von Hypospadien, abhängig vom Ausgang der Harnröhre (modifiziert von Sheldon und Ducket 1987).

Einige Beispiele für die verschiedenen Schweregrade:
ca. 1 Monat nach der OP
Hypospadie glanular 1 Jahr nach der Op
unmittelbar nach der OP
Sonderfall: intakte Vorhaut mit Mega-Harnröhrenausgang
Vorhaut zurückgezogen
Distale Hypospadie
unmittelbar nach der OP ca. 7 Monate nach der OP und Beschneidung der Vorhaut
7 Monate nach Hauptoperation, kurz nach Beschneidung 2 Jahre nach OP
Proximale Hypospadie 2 Monate nach der OP
Proximale Hypospadie mit Penisschaftkrümmung (chordee)
Prox. HS 6 Monate nach OP Prox. HS 1 Jahr nach OP Prox. HS 1 Jahr nach OP

Der beste Zeitpunkt für eine Operation

Vor kurzem durchgeführte Studien zeigen, dass das ideale Zeitfenster für eine Hypospadie-Korrektur zwischem dem 3. und 18. Lebensmonat des Kindes liegt (während der ersten 4 Lebensjahre wächst der Penis weniger als 1 cm). Je älter das Kind desto mehr Streß für das Kind und desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Kind an die Operation erinnert.

Gegenüberstellung der Risiken einer Hypospadie-Korrektur in Abhängigkeit vom Alter. Das optimale Zeitfenster liegt zwischen dem 3. - 18. Lebensmonat (modifiziert von Schulz et al., 1983).

Jeder Chirurg hat eine eigene Meinung über den idealen Operationszeitpunkt.

Viele Chirurgen hatten in der Vergangenheit die Auffassung, dass sie die Operation erst ausführen sollten, wenn das Kind 3 Jahre alt ist, da dann der Penis größer wäre und die Operation einfacher. Jedoch haben Studien gezeigt, dass der Penis in den ersten 4 Lebensjahren weniger als 1 cm wächst. In der Zwischenzeit wird eine Operation für das Kind jedoch stressvoller und könnte psychologische Effekte für den Rest seines Lebens haben. Möglicherweise ist der Heilungsprozess schneller und besser je jünger das Kind ist.

Generell

Das ideale Zeitfenster für eine Operation liegt - wie bereits oben beschrieben - zwischen dem 3. und 18. Lebensmonat.

Ein Verband wird für max. 6 Stunden (glanulare/distale Hypospadie) bzw. max. 24 Stunden (proximale Hypospadie) angelegt, um Blutungen zu stillen. Viele Chirurgen ziehen jedoch Verbände für 2 - 5 Tage vor.

Der Autor läßt routinemäßig keinen Katheter in der Harnröhre, da dieser Irritationen und Verzögerungen in der Heilung hervorrufen kann. Auch hier gibt es viele Chirurgen, die einen Katheter in der Harnröhre für 7 - 10 Tage belassen.

Die Wahl der Operationstechnik

"Der Chirurg sollte die Technik anwenden, die am Besten ist für den Patienten und nicht den Patienten der Technik anpassen, die er am liebsten anwendet."

Es gibt über 300 verschiedene Techniken für Hypospadie-Korrekturen, der internationale Standard in der Hypospadie-Operation konzentriert sich auf 10 Techniken.

Bei einer glanularen Hypospadie mit mobilem Harnröhrenausgang bevorzugt der Autor die "Inverted Y-Technik". Für distale Hypospadien hat er die besten Ergebnisse mit der "Y-V glanuloplasty modified Mathieu" Technik erreicht.
Allerdings ist jeder Patient speziell und so entscheidet sich oft während der Operation, welche Technik angewandt wird.

Die 2-Stufen-Korrektur kann bei Patienten mit perinealer Hypospadie bevorzugt verwandt werden, um die Verwendung von später behaarten Hautarealen zu vermeiden.

Die nachfolgende Grafik zeigt die Techniken, die der Autor für die erstmalige Hypospadie-Korrektur empfiehlt.

Empfehlungen Operationstechniken für erstmalige Hypospadie-Korrektur

Nachfolgend ein kurzer Überblick über verschiedene Operationstechniken

Die Y-V modifizierte Mathieu Technik

Die "meatal-based flap technique of Mathieu" ist die vom Autor am häufigsten eingesetzte Technik für distale Hypospadie Korrekturen. Der Nachteil bei der Original-Mathieu Technik lag beim endgültigen Erscheinungsbild der Harnröhre (ein "lächelnder" (leicht nach oben gebogener) Harnröhrenausgang, der nicht ganz an der Spitze der Eichel endet). Die durch Prof. Hadidi modifizierte Technik zeigt einen vertikalen geraden Harnröhrenausgang, der an der Spitze der Eichel endet. Diese Technik kann bei ca. 70 - 80 % Hypospadie-Patienten angewandt werden. Die einzige Kontraindikation ist eine vorhandene sehr starke Krümmung die über (also körperfern) dem hypospadischen Harnröhrenausgang liegt.
Die Vorhaut wird bei der Operation erhalten. Sie sollte frühestens 6 Monate nach der Operation (wenn alles vollständig verheilt ist) je nach Wunsch der Eltern passend zur korrigierten Hypospadie "reconstructed" oder beschnitten werden. Es ist nicht empfehlenswert, eine Beschneidung während der Hauptoperation durchzuführen, denn im Falle von Komplikationen wird die vorhandene Vorhaut für eine weitere Operation benötigt.

Komplikationen
Fisteln können bei bis zu 5 % der Patienten auftreten.

Alle Zeichnungen wurden dem Buch "Hypospadias-Surgery, An illustrated guide", (AT Hadidi, A Azmy), Springer Verlag 2004, entnommen.